Im zweiten Teil dieser Kritik (den negativen Punkten 😦 ) komme ich um Spoiler nicht herum. Ich werde diesen – leider deutlich länger ausfallenden – Teil kenntlich machen. Ich entschuldige mich außerdem im Vorfeld für viele verwendete englische Begriffe, die für mich entweder besser ausdrücken, was ich meine, oder es fallen mir einfach keine guten Entsprechungen im Deutschen dafür ein.

Wenn man den Film völlig losgelöst von The Last Jedi (TLJ) und dessen „Aftermath“ in den sozialen Medien (extremer Backlash gegen Rian Johnson und (rassistische) Angriffe gegen Kelly Marie Tran, die sich deswegen aus den sozialen Medien zurückgezogen hat; Spaltung des Fandoms, etc.) betrachtet, wenn man ihn nur als Fortsetzung von The Force Awakens (TFA) sieht, dann macht der Film Spaß und man kann sich über viel Fanservice freuen – von Auftritten alter Bekannter, über die Art und Weise wie der Millennium Falcon im Grunde genommen wie ein eigener Charakter, nicht nur „ein Raumschiff“, behandelt wird, bis hin zum neuen Droiden D-O (He had me at „Hello!“) und dem neuen Fan-Favorite Babu Frik. Dazu größenwahnsinnige Weltraumschlachten, atemberaubende Lichtschwertduelle, sensationelles Light-Skipping im Millennium Falcon, BB-8, R2-D2, C-3PO, Rey und Kylo, Poe und Finn, Poe ❤ , die letzte Einstellung… Und auch Gefühle kommen nicht zu kurz. Bei einer Stelle haben meine Freundin D. und ich bei der ersten Sichtung hörbar geschluchzt… 😥 Dafür gab es auch etliche Szenen, bei denen wir laut aufgelacht haben, z. B. bei einer gewissen Szene mit General Hux. 😀 So – what’s not to like?
(vorgezogenes) Fazit: Nach der ersten Sichtung war ich sehr unschlüssig. Eigentlich hatte ich mich gut unterhalten gefühlt, aber ich war nicht gerade euphorisch. Ich musste erst eine Weile darüber nachdenken, ein paar Kritiken lesen, bevor meine fehlende Euphorie so allmählich in Enttäuschung umschlug. Die unten folgenden Kritikpunkte ließen sich durch die Zweitsichtung nicht entschärfen, eher wurden sie bekräftigt, manches fiel mir sogar erst so richtig beim zweiten Mal negativ auf. Deswegen bekommt The Rise of Skywalker nur 5 von 10 Punkten von mir.
Ab hier geschieht das Weiterlesen auf eigene Gefahr – es wird von Spoilern zu The Rise of Skywalker (TROS) und seinen Vorgängern nur so strotzen.
SPOILER – SPOILER – SPOILER – SPOILER – SPOILER – SPOILER – SPOILER – SPOILER
Zunächst beziehe ich mich mal auf die Aspekte, die mir in TLJ gefallen haben – und die J. J. Abrams einfach ignoriert bzw. zunichte gemacht hat (der im Englischen gängige Begriff ist „retroactive continuity“ oder kurz retcon):
Jede*r kann sich der „Macht“ (Force) bedienen, sie ist allgegenwärtig, es gibt nicht nur ein paar auserwählte Jedi, […] JED*R kann ein*e Held*in sein.
Denkste! Das Ende von TLJ mit dem kleinen Jungen in Canto Bight, der den Besen mit der Macht zu sich holt und sehnsüchtig in den Himmel schaut, die Aussage von Kylo, dass Reys Eltern „Niemand“ waren, das alles wird zunichte gemacht. Rey ist die Enkelin von niemand geringerem als dem Imperator selbst! Palpatine lebt (mehr oder weniger), seine Enkelin soll an seine Stelle treten, indem sie ihn im Hass tötet, wodurch dann alle Sith in sie übergehen und sie auf dem Thron sitzen wird. Ah, also daher hat sie ihre Kräfte, so wird erklärt, wieso sie ohne Training schon so gut war. Vorbei die Idee, dass sich jeder der Macht bedienen kann – und da hilft es auch nur wenig, dass offenbar Finn auch „force-sensitive“ ist, oder evtl. die Macht („It was a feeling…“) eine Gruppe von Stormtroopern zur Meuterei ermutigt hat. Da hätte man einfach mehr daraus machen können – nach dem Schlussbild von TLJ machen müssen!
„That‘s how we‘ll win. Not fighting what we hate but saving what we love.“
Für mich ist es regelrecht skandalös, dass Rose (Kelly Marie Tran) in TROS quasi in eine Statistenrolle verbannt wird – immerhin mit ein paar wenigen Zeilen, die sie sprechen darf, aber im Vergleich zu der doch recht wichtigen Rolle, die sie in TLJ gespielt hat, eine Frechheit. (Dafür durfte Dominic Monaghan (aus Abrams‘ LOST) plötzlich und ohne Grund (offenbar hatte Abrams eine Wette gegen ihn verloren) mitspielen. Versteht mich bitte nicht falsch – ich freue mich immer, wenn ich jemanden aus den Herr-der-Ringe-Filmen sehe, aber der Charakter hat null Gewicht oder Sinn… ) Dazu kommt, dass die sich in TLJ anbahnende Romanze zwischen ihr und Finn keine Auflösung bekommt. Ich war jetzt nicht gerade scharf darauf, dass die beiden ein Paar werden (ich wollte doch Finn ❤ Poe… 😉 ), aber man hätte wenigstens irgendwie Bezug darauf nehmen können – irgendein kurzes Gespräch, das dem Zuschauer erklärt, was dazwischen passiert ist. Besonders verachtenswert finde ich Abrams‘ Umgang mit Rose aufgrund dessen, was nach TLJ in den sozialen Medien los war. Rose wurde als „the worst character since Jar Jar Binks“ bezeichnet, Kelly Marie Tran so stark gemobbt (häufig mit Seitenhieben auf ihre asiatische Herkunft), dass sie social media den Rücken kehrte. Auf diesem Hintergrund nun die Rolle der Rose so weit in die Belanglosigkeit zu drängen, dass sie sozusagen „nicht stört“, bestätigt doch die ganzen Hater da draußen! Da ist es mir tatsächlich egal, ob sie nun mal für die Handlung von TROS nicht wichtig ist und der Fokus wieder mehr auf die drei Hauptcharaktere Rey, Finn und Poe gelegt werden sollte. Das finde ich durchaus legitim, und mir fehlte die Chemie zwischen Finn und Poe in TLJ auch tatsächlich. Trotzdem sendet es doch die Botschaft aus: Ja, wir haben das gehört und finden auch, dass Rose kein guter Charakter war. Das toxic fandom hat gewonnen. Hass hat sich durchgesetzt.
Dazu kommt:
Rey und Kylo küssen sich. Halt, ich korrigiere: Rey und Ben küssen sich. OK, immerhin stirbt er danach – er hat sich für sie, für das Gute geopfert. Das ist auch in Ordnung, das finde ich stimmig, das ist seine Art der Redemption. Aber musste der Kuss wirklich sein? Macht seine (späte!) Abkehr von der dunklen Seite der Macht die Milliarden von Toten, die auf seine Kappe gehen, ungeschehen? Ist Ben überhaupt nicht dafür verantwortlich, was Kylo getan hat? Angeblich hat Abrams gesagt, dass der Kuss weder sexuell noch romantisch gedacht sei. Aha. Warum dann nicht einfach eine Umarmung? Auch hier, versteht mich nicht falsch: Ich finde die Chemie zwischen Rey und Kylo/Ben fantastisch! Die Szenen zwischen den beiden in allen drei Filmen sind mit das Beste, was ich in Star Wars gesehen habe. Trotzdem fand ich den Kuss völlig daneben. Das ist ein Massenmörder der übelsten Art – egal, was in seiner Kindheit und Jugend falsch gelaufen ist. Er hat so viele Gelegenheiten bekommen, sich anders zu entscheiden!
Palpatine als der Strippenzieher von Tag 1: Ich will gar nicht davon reden, was die Enthüllung, dass Palpatine irgendwie überlebt hat, nachträglich mit Episode IV-VI macht, mir reichen schon die Plotholes, die durch sein Auftauchen für die Sequel-Trilogie entstehen. Wenn Palpatines Ziel schon die ganze Zeit war, Rey zu seiner Nachfolgerin zu machen, warum beauftragt er dann erst in TLJ Snoke (seine Marionette, wie wir jetzt erfahren), Kylo dazuzubringen, Rey zu töten, und befiehlt dann in TROS zweimal Kylo, sie zu töten? Sah er in die Zukunft und wusste, dass seine Befehle zum Gegenteil führen würden? Warum wusste er dann nicht auch, dass sein Plan nicht aufgehen würde?
Und dann diese unfassbar riesige Flotte, die er die ganze Zeit bevorratet und offenbar „mit eigenen Händen“ bzw. mit seiner Willenskraft erschaffen hat… Das sah schon beeindruckend aus, ohne Zweifel. Aber: Overkill much?
Noch ein paar kleinere Ärgernisse:
- Endkampf über Exegol: Na gut, Star Wars war schon immer ein Weltraummärchen, aber bei aller Liebe für Solidarität und „das Gute siegt über das Böse“: Hier musste man schon ganz schön viel suspension of disbelief mitbringen…
- Finn rennt Rey auch dann hinterher, wenn es absolut keinen Sinn macht. Bei der zweiten Sichtung hat mich das ganz besonders auf Kef Bir genervt, als Rey eigentlich schon fast mit ihrem katamaranähnlichen Schiff über die stürmische See gesetzt hatte, und Finn dann meinte, ihr unbedingt folgen zu müssen. Um WAS zu tun??? Genau: Um ihr „REY!!!!!!“ hinterherzuschreien und sie damit beim Kampf gegen Kylo zu stören. Seriously?
- Finn will Rey dringend etwas sagen. Wir erfahren nie, was. Ende der Trilogie.
Das waren nun meine wichtigsten Kritikpunkte. Für eine weitaus detailliertere Analyse – auch im Hinblick auf die Trilogie als Ganzes, empfehle ich einen Besuch bei Hemator. Dieser hat auch schon TLJ eher kritisch gesehen, kommt trotzdem zu einem ähnlich vernichtenden Urteil zu TROS (bzw. der Trilogie) wie ich.
Wo finde ich denn den ersten Teil ohne Spoiler (schaue den Film erst heute Abend)? 🤔
Na, bis zum Fazit kannst du lesen… Oder du wartest halt bis nach heute Abend? 😉
Achso, das hatte ich falsch verstanden: Dachte du hattest schon eine Kritik ohne Spoiler veröffentlicht. War noch früh… 😉
Tststs… zu erschöpft nach dem Laufen, was?! 😉
Genau! Das war es! 😅
🙂
Ich habe den Film nun auch gesehen und komme zu einem ganz ähnlichen Urteil — sogar bis zu den Punkten: https://moviescape.blog/2019/12/30/star-wars-der-aufstieg-skywalkers-ot-star-wars-the-rise-of-skywalker-2019/
Hab ich gesehen. Schade eigentlich, aber irgendwie auch beruhigend.
Offen gestanden haben mich die Banalität und Beliebigkeit des Films total genervt.
Beispiel:
Der finale Kampf „Gut gegen Böse“.
Das Gute ist hoffnungslos unterlegen, droht zu verlieren, man schwört sich ein, niemals aufzugeben. Doch was nützt die Tapferkeit der Einzelnen?
Das Böse wird gleich gewinnen, weil niemand den Guten zu Hilfe eilt.
Als es fast vorbei ist…
( ) kommen John Wayne und seine Kavallerie
( ) retten Winnetou und die Osagen Baumanns Farm
( ) treffen Gandalf und die Reiter vor Helms Klamm ein
( ) fluten Aragon und die Berggeister die Belagerung von Minas Tirith
( ) greifen Lando und eine riesige Raumschiff-Flotte wie aus dem Nichts ins Geschehen ein
…
…
Es ist einfach immer das Gleiche. Wieder und wieder.
Ich bin froh, dass „Star Wars“ vorbei ist, hoffentlich endgültig.
PS: Es gab einen zweiten Transporter? Und den hat niemand bemerkt?
Verarschen kann ich mich alleine.
Sehr treffend formuliert.
As expected 😉 Aber im Großen und Ganzen hatte ich ja dieselben Probleme, plus noch einige weitere. Danke für die Verlinkung.
Gerne! 🙂
Den Absatz über die Behandlung der Figur Rose Tico kann ich nur unterschreiben. JJ Abrams ist mit seinem vor Fan-Anbiederung triefenden Film nicht nur generell völlig eingeknickt, sondern mit der Degradierung von Rose auch vor den unsäglichen Nazis im Fandom. Traurig.
Aber immerhin ist der ganze Käse jetzt vorbei und wir können uns alle auf wichtigere Filme und Serien konzentrieren!
Das hast du nochmal prägnant formuliert.
Ach ja, bevor ich’s vergesse: das ist nicht Star Trek! 😉
https://www.kino.vieraugen.com/kino/star-wars-der-aufstieg-skywalkers/
Kann auch deine Kritikpunkte meist unterschreiben (einzig Rey und Kylo sehe ich – mit Ausnahme dessen, was ich oben erwähnt habe – vielleicht nicht so kritisch).