
Diesmal hatte ich absolut korrekt darauf getippt, dass uns dieser Film in der Sneak Preview gezeigt werden würde. In der Award-Season bekommen wir doch häufig Oscar-nominierte Filme zu sehen, was ich durchaus schätze. So kann ich ein bisschen besser mitreden und – im Zweifelsfall mitmeckern.
Spotlight ist der Name des vierköpfigen investigativen Teams des Boston Globe, das Anfang des Milleniums den massenhaften Missbrauch von Kindern durch katholische Priester in Boston und der Vertuschung durch die Erzdiözese (seit den 1970er Jahren) aufgedeckt hat. Es ist – wie viele sicher wissen – eine wahre Geschichte, das Phänomen beschränkt(e) sich ja auch nicht nur auf Boston und die USA, Deutschland hat ja auch entsprechende Skandale „vorzuweisen‟.
Erst der neue Chef des Boston Globe Marty Baron (Liev Schreiber – sehr low-key) bringt das Ganze ins Rollen; er ist derjenige, der Walter „Robby‟ Robinson (Michael Keaton) und sein Team damit beauftragt, das Thema zu verfolgen. In der Folge versuchen Robby, Mike (Mark Ruffalo), Sacha (Rachel McAdams) und Matt (Brian d’Arcy James) über verschiedene Kanäle, an die Namen von Opfern und Tätern heranzukommen. Das Ausmaß dessen, was da aufgedeckt wird, ist sicherlich erschreckend, die Taten (und die Vertuschung derselbigen) verachtenswert, aber ich hätte mir am Ende des Filmes – zusätzlich zur Liste mit all den Orten auf der Welt, an der es Missbrauch durch katholische Priester gegeben hat – gewünscht, dass auch noch einmal darauf hingewiesen wird, dass es sexuellen Missbrauch auch anderswo gibt. Für Deutschland jedenfalls gibt es Zahlen, die zeigen, dass die meisten Fälle innerhalb der Familie/Verwandtschaft passieren.
Der Film ist solide inszeniert, die Besetzung ist hervorragend, aber es ist mir ein bisschen ein Rätsel, warum er so viele Nominierungen bekommen hat, etwa im Gegensatz zu solch – in meinen Augen – großartigen Filmen, wie Sicario und Ex Machina. Filmisch finde ich Spotlight nicht besonders innovativ oder herausragend. Warum Regisseur Tom McCarthy als bester Regisseur nominiert ist, Denis Villeneuve (Sicario) aber nicht, verstehe ich überhaupt nicht. Dasselbe gilt für die Schauspieler-Nominierungen. First of all: Mark Ruffalo wird als ERSTES in den Credits genannt (vor Michael Keaton), ist aber als bester Nebendarsteller nominiert – was für ein Quatsch! Die Nominierung an sich geht zwar in Ordnung, denn ich fand ihn schon sehr gut, aber eigentlich müsste er in der Hauptdarsteller-Kategorie auftauchen. Dass Rachel McAdams ebenfalls nominiert ist, Charlize Theron (Mad Max: Fury Road) oder Emily Blunt (Sicario) aber nicht, finde ich im Grunde genommen skandalös. Don’t get me wrong: Ich MAG Rachel McAdams sehr, aber sie kann hier kaum Facetten zeigen, muss es auch nicht. Immerhin hat Mark Ruffalo einen Wutausbruch, aber Rachels Figur bleibt für mich immer gleich engagiert.
Ein guter Film, aber meiner Meinung nach – und das Wort nehme ich wirklich selten in den Mund – überbewertet aufgrund des heißen Eisens, das in dem Film thematisiert wird. Wenn er als bester Film gekürt wird, wäre ich sehr enttäuscht.
7 von 10 Punkten.
Der lief jetzt schon in der Sneak? Dann muss ich am Dienstag unbedingt auch gehen 😀
Dass für die ganzen Awards Filme auf Grund des behandelten Themas nominiert werden, ist hingegen nicht neu. Letztes Jahr wäre da u.a. Selma zu nennen. Und davor 12 years a slave. Beides gute, solide Filme. Aber eine Nominierung für den besten Film des Jahres? Ich weiß nicht…
Klar, ist das kein neues Phänomen. Leider. „12 Years a Slave“ bekam dann ja auch tatsächlich den Oscar für den besten Film, worüber ich auch nicht erfreut war…
Manchmal wünschte ich mir, man würde die ganzen „based on true events“-Filme rausschmeißen und nur echte Fiktion bewerten. Da kämen mal ganz andere Filme nach vorne! Wobei ich ja auch nicht generell etwas gegen Filme habe, die eine real passierte Geschichte erzählen; da gibt es auch richtig gute, aber trotzdem sollten die Filme weniger nach ihrem Thema bewertet werden, sondern nach der UMSETZUNG des Themas.
„…aber trotzdem sollten die Filme weniger nach ihrem Thema bewertet werden, sondern nach der UMSETZUNG des Themas.“
Kommt drauf an. Es gibt bestimmte Themen, deren Behandlung auch einen gewissen Mut erfordert, auch das kann man honorieren. Das ist IMHO bei „Spotlight“ allerdings längst nicht mehr der Fall. Der Skandal wurde längst medial verdaut, und der Einfluss der katholischen Kirche auf Hollywood ist wohl auch eher begrenzt.
MUTIG wäre es beispielsweise, wenn sich eine Hollywoodproduktion mal dieses Themas annehmen würde:
http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/kindesmissbrauch-in-hollywood-klage-gegen-bryan-singer-12905330.html
Aber ich glaube, darauf können wir noch länger warten.
Sollte… 😉
Genau…
Du bist aber verdammt schnell mit den Kritiken. Ich brauche da noch länger. Ob es dan der Übung liegt?
Das ist jedenfalls meine Meinung zu „Spotlight“:
https://hurzfilm.wordpress.com/2016/01/23/spotlight/
Naja, bin ja auch nicht immer so schnell… Aber bei dem Film ist es mir relativ leicht gefallen, weil es rein inhaltlich nicht so viel zu sagen gibt.
Ich finde es schon verständlich dass die Regie nominiert ist. Immerhin muss man es erstmal schaffen einen Film spannend zu erzählen, der eigentlich nur daraus besteht, dass Leute Quellen recherchieren. Die Nennung von Mark Ruffalo als erstem im Abspann ist Standard. Der zur Zeit erfolgreichste aus dem Cast wird als erster genannt. Oder andere Gründe: Bei Star Wars war Mark Hamill als zweiter genannt, das ist schon eher lustig oder? Bei so Ensemblefilmen wird selten jemand als „Hauptdarsteller“ nominiert. Bei z.B. Magnolia würde man auch niemanden als Hauptdarsteller sehen oder?
Ja, stimmt schon, das mit den Ensemblefilmen, da gibt es ja keinen richtigen HAUPTdarsteller…
„Ich finde es schon verständlich dass die Regie nominiert ist. Immerhin muss man es erstmal schaffen einen Film spannend zu erzählen, der eigentlich nur daraus besteht, dass Leute Quellen recherchieren.“ -> Ja, gut, aber so spannend fand ich persönlich es dann auch wieder nicht (vielleicht auch der späten Stunde geschuldet?!). Aber du hast den Film ja anscheinend auch insgesamt etwas positiver gesehen als ich… Wobei du ja eh meistens euphorischer bist als ich. 😉
Interessant, mal eine ganz andere Meinung. Macht mich noch neugieriger auf den Film.
Bislang fand ich Rachel McAdams putzig, aber nie besonders gut; umso überraschter war ich über die Nominierung. Allerdings kenne ich ihre Darbietung hier nicht.
Warum so viele Theron für „Mad Max“ eine Oscarnominierung gewünscht haben verstehe ich allerdings nicht.
Bzgl. Theron: Ich habe ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass sie eine Nominierung erhält – OBWOHL „Mad Max“ mein Lieblingsfilm von 2015 ist und ihre Darstellung der Imperator Furiosa mich zu meiner Blogparade mit den starken Frauen animiert hatte. Aber wenn ich dann vergleiche, was sie in dem Film leistet, und wofür Rachel McAdams nominiert wurde, dann finde ich das eben schon fraglich. „Putzig“ ist eine gute Beschreibung für McAdams… 😉