Ich liebe Vampire. Ich liebe Tom Hiddleston. Ich finde, Tilda Swinton ist eine einzigartige Frau und Schauspielerin. Also musste ich mir Only Lovers Left Alive von Jim Jarmusch ansehen.
Dass Jim Jarmusch keinen Mainstream-Vampirfilm drehen würde, um auf die Twilight-Schiene aufzuspringen, war zu erwarten. Hier geht es nicht darum zu zeigen, welche übernatürlichen Kräfte Vampire zum Beispiel haben, und so gibt es keine Actionszenen. Hier wird nicht ins Zentrum gestellt, welch „sexy Ausstrahlung“ sie auf Menschen haben, und so gibt es keine Vampir-liebt-Mensch-und-umgekehrt-Szenen.
Eigentlich geht es darum, dass so ein Vampirleben ganz schön langweilig werden kann, wenn man Jahrhunderte lebt und man da schon auch mal ein bisschen depressiv werden und an Selbstmord denken kann – zumal, wenn man ein melancholischer und völlig zurückgezogen lebender Musiker ist, wie Adam (Tom Hiddleston). Außerdem „jagt“ man als Vampir im 21. Jahrhundert auch nicht mehr nach Menschenblut frisch aus dem Körper, sondern holt sich lieber qualitativ hochwertigere Konserven aus dem Krankenhaus. Die ganzen Umweltgifte, die sich im Blut der „Zombies“ (=Menschen) festgesetzt haben, machen „Frischfleisch“ eher zu einem zweifelhaften Genuss.
Und es geht darum, dass aber gleichzeitig eine Jahrhunderte dauernde Vampirehe, nämlich die von Adam und Eve (Tilda Swinton), nicht vergeht, auch wenn die beiden zeitweise getrennt voneinander leben – sie in Tanger (Marokko – welch seltsamer Wohnort für einen Vampir, der nur nachts raus kann), er in der Stadt, die als Synonym für die Folgen der Finanzkrise in den USA steht: Detroit, Michigan. Gespenstisch, wie diese verfallende Stadt hier gezeigt wird – und trotzdem schafft es Jarmusch irgendwie, dem Trostlosen eine gewisse Ästhetik zu verleihen.
Überhaupt ist die Ästhetik des Films sehr ansprechend, ob es die warmen, gelben Farben im nächtlichen Tanger sind, die herrlich typische Unordnung im Haus des Musikers Adam, oder die Farbgebung bei den beiden Protagonisten: sie mit weißem Haar und meist auch heller Kleidung, er ganz in schwarz, wenn er nicht gerade als Arzt verkleidet zum „Bluteinkauf“ geht oder in seinem hundert Jahre alten Bademantel zu Hause auf der Couch sitzt.
Problematisch wird es, als Eves Schwester Ava (Mia Wasikowska) auftaucht, die nach 85 Jahren Adam und Eve mal wieder besuchen kommt. Man erfährt nie, was damals vorgefallen ist, aber insbesondere Adam ist auf die quirlige Ava nicht gut zu sprechen. Nicht ganz zu Unrecht… aber alles will ich auch nicht verraten.
„Verraten“ ist ein gutes Stichwort, um noch auf einen Aspekt sprechen zu kommen: manches bleibt einfach unerklärt in diesem Film, z. B. eben die Hintergrundgeschichte zu Ava, oder auch, warum die Vampire außerhalb des Hauses Handschuhe tragen und in welchem Fall sie ausgezogen werden (dürfen). Ich persönlich fand diese unaufgelösten „Mysterien“ interessant, manch anderer Kinogänger mag unzufrieden diesbezüglich sein.
Ein langsamer Film mit wunderschön komponierten Bildern, interessanter Musik, großartigen Schauspielern (u. a. auch noch John Hurt als Christopher Marlowe – ja, er war ein Vampir, Anton „Checkov“ Yelchin und Jeffrey Wright) und witzigen Anspielungen auf allerlei geschichtliche Personen. Vielleicht weniger für ein Publikum, das beim Stichwort „Vampir“ an schnulzige Liebesgeschichten à la Twilight, knackige Action à la Underworld oder Blut&Sex à la True Blood denkt, aber durchaus für Leute, die z. B. Let the Right One In mochten, das schwedische Original zum amerikanischen Remake Let Me In. Und für Fans von Tom Hiddleston – auch wenn sein Gesicht meistens zur Hälfte von seiner schwarzen Mähne verdeckt ist. Dafür sieht man einiges von seinem Körper… Aber was mich am meisten fasziniert hat, ist, dass er, nach all dem Erfolg und der förmlich explodierenden Publicity, die er durch die beiden Thor-Filme und The Avengers erreicht hat, bei diesem vergleichsweise kleinen Film abseits des Mainstream mitgemacht hat. Macht ihn noch liebenswerter!
8 von 10 Punkten