„Moulin Rouge“ (Luhrmann, 2001) ist einer meiner Lieblingsfilme – und so war ich sehr gespannt auf die Neuverfilmung von F. Scott Fitzgeralds Roman „The Great Gatsby“ durch den Australier Baz Luhrmann. Schon die Trailer versprachen ein optisch opulentes Werk – wie üblich bei Luhrmann etwas „over the top“, das man eben mag oder auch nicht.
Die Ausstattung und Musikauswahl – die von vielen Kritikern moniert wird (z. B.: „There are so many things wrong with Luhrmann’s Great Gatsby – the filmmaker’s attention-deficit-disorder approach, the anachronistic convergence of hip-hop and swing“ http://www.philly.com/philly/entertainment/movies/20130510_A_dizzying_display_of_excess.html) – sind für mich Dinge, die ich von einem Luhrmann-Film erwartet habe. Auch in „Moulin Rouge“ wurde keine zeitgenössische Musik gespielt – wer ein reines „Period Drama“ haben will, das bis ins letzte Detail die 20er Jahre in den USA authentisch wiedergibt, der sollte sich keinen Film von Baz Luhrmann ansehen. Wozu man dazu allerdings unbedingt 3D braucht, ist mir ein Rätsel. Die ZEIT (16. Mai 2013) geht so weit, zu behaupten, dass die 3D-Technik „den großen Künstler stärker behindert [hat] als minderbegabte Regisseure, die das Filmemachen ohnehin wurschtiger angehen.“ Ich glaube nun nicht, dass 3D hier das Hauptproblem ist, aber Luhrmann wäre auch aus meiner Sicht besser beraten gewesen, darauf zu verzichten.
Für mich ist wohl das Hauptproblem der Stoff an sich. Ich habe letztes oder vorletztes Jahr das erste Mal das Buch gelesen und kurz darauf eine Inszenierung der American Drama Society (im Amerikahaus) gesehen. Beides hat mich kalt gelassen, weil ich mit keinem Charakter wirklich mitfühlen konnte. Diese ganze „Spaßgesellschaft“ der High Society in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts ist für mich nicht mal mehr bedauernswert, ob ihrer Oberflächlichkeit. Schon im Buch fand ich z. B. befremdlich, dass wohl erwähnt wird, das Daisy und Tom Buchanan eine Tochter haben, diese aber anscheinend überhaupt keine Rolle in ihrem Leben zu spielen scheint. Auch Jay Gatsbys Vorstellungen von einem Leben mit Daisy klammern ja die Tochter komplett aus. Nun, das mag ja für gewisse Kreise in dieser Zeit durchaus normal gewesen sein, aber besonders sympathisch macht das die Beteiligten nicht.
Und auch Baz Luhrmann hat es nicht geschafft (war vielleicht auch nicht sein Plan), dass ich mit irgendeiner der Figuren wirklich mitfühlen konnte. Auch nicht mit Gatsby, obwohl Leonardo DiCaprio ihn wirklich ganz hervorragend verkörpert! Da ich mich an keine früheren Verfilmungen erinnern kann, fehlt mir der Vergleich, aber die ZEIT meint, er sei besser als Robert Redford. An DiCaprio liegt es also nicht, dass mich der Film nicht berührt hat, denn letztlich habe ich schon beim Lesen des Buches nicht so ganz verstanden, warum der Erzähler Nick Carraway (hier gespielt von Tobey Maguire) SO fasziniert ist von Gatsby. Gleichzeitig fragt man sich, warum Gatsby sich so ins Zeug legt für eine Frau (Daisy Buchanan, gespielt von Carey Mulligan), für die letztlich Geld die entscheidende Rolle spielt. Oh, wie hingerissen ist sie von Gatsbys Anwesen! Ja, klar, es waren andere Zeiten, aber ich kann mich mit ihr einfach nicht identifizieren.
Also liegt es – für mich zumindest – zum großen Teil an der literarischen Vorlage, warum mich der Film nicht in seinen Bann gezogen hat. Dazu kommt, dass Tobey Maguire als Nick Carraway zwar irgendwie diesen etwas naiven „Buben“ prinzipiell ganz gut verkörpern kann (schaut er doch immer noch wie Anfang 20 aus), aber ich kann mit ihm in dieser Rolle GAR nichts anfangen. Und dabei habe ich ihn immer ganz gern verteidigt, wenn es hieß, er könne nicht schauspielern (z. B. bei „Spiderman“) – hier halte ich ihn für eine Fehlbesetzung. Wenigstens er hätte doch eine Identifikationsfigur sein können! Carey Mulligan bleibt hier deutlich unter ihren Möglichkeiten. Sie hat ja schon unglaubliche Performances abgelegt (u. a. in „Shame“ mit Michael Fassbender), hier überzeugt sie mich nicht besonders. Was aber, meines Erachtens, eher ein Problem des Drehbuchs und der Romanvorlage ist. Tom Buchanan hätte ich interessanter gefunden, wenn ihn jemand gespielt hätte, der nicht gleich beim Zuschauer – wie es mir mit Joel Edgerton ging – eine gewisse Abscheu erzeugt. Bitte, das soll jetzt keine Beleidigung des Schauspielers sein, sondern eine Kritik an der Art und Weise, wie die Figur im Film gezeichnet wird. Allerdings habe ich gerade das Buch nicht hier, sodass ich nicht sagen kann, ob das einfach dem Buch entsprechend umgesetzt wurde. Mir war er einfach ein bisschen zu überzeichnet. Wobei auch das sicher Absicht ist: es gibt sich ja auch kaum jemand in dieser Gesellschaft so, wie er wirklich ist und wie er wirklich denkt und fühlt. Wen ich neben Gatsby sehr gut besetzt fand, ist Jordan Baker: Elizabeth Debicki (ein ganz neues Gesicht; imdb gibt nur drei Filme an, bei denen sie mitgespielt hat) hat mich als die Golfspielerin Jordan Baker (groß, schlank, hübsch, selbstbewusst) restlos überzeugt. Schade nur, dass sie nicht noch häufiger zu sehen war.
6 von 10 Punkten.